Äderungen in Malerei / Florian Steininger, 2014

Äderungen in Malerei

Florian Steininger

Rudolfine Rossmann forciert eine abstrakte Malerei, die von Subtilität, Geist und Tiefe getränkt ist. Flüssige Eitempera ist ihr Substrat, das sie meist aus Bechern auf die horizontal positionierte Leinwand schüttet. Diese Schüttungen fallen keineswegs expressiv und körperbetont aus, sind also keine exaltierten Markierungen des malerischen Akts, sondern fein gesteuerte Rinnsale, die sich zu einem Netz aus Adern auf der Bildfläche ergießen. In den jüngsten Werken zeichnet sich diese Struktur als komplexes räumliches Geflecht aus, in das wir optisch eingewoben werden. Das Bild wird zum Dickicht, zu einer abstrakten Matrix. Assoziationszonen tun sich auf, ob Schaltkreise, Nervenbahnen, Blutgefäße oder Dickicht und Gestrüpp. Entscheidend ist jedoch, dass die Malerei per se – Prozess und Mittel – zentrales Anliegen ist. Trotzdem schwingt Natur immer mit, ist gespeichert, impulsgebend, aber niemals motivisch abbildend, sondern rein atmosphärisch geprägt. Rossmann zeigt hierbei Gespür für Raum, Licht, Temperatur – das Flackern einer Wasseroberfläche, das Sonnenlicht, das durch die Baumkronen bricht. Diese Naturreize erfährt die Malerin in gesteigerter Form durch ihre Reisen und während längerer Arbeitsaufenthalte in fernen Kulturen, ob 2002 in New Mexico, 2005 – 2007 in China, 2009 in Südindien oder 2012 in Sri Lanka.

Die Bilder aus der amerikanischen Zeit zeugen von einer trockenen Note (gleißend schillerndes Licht über den Wüsten – grafische Anordnungen von Punkten), die asiatischen Werke hingegen sind weicher, mit höherer Luftfeuchtigkeit.

Die Künstlerin nimmt mit ihrem aktuellen Werkblock „monsoon“ darauf Bezug. Hinzu kommt eine merkliche Tendenz zu Verinnerlichung und Vergeistigung. Die Schulung an der Kalligrafie hat dieses Moment intensiviert. Aus ursprünglich kleinformatigen Aquarellen mit zentralen Formenverdichtungen sind großflächige Netzstrukturen entstanden. An zahlreichen Schnittstellen und Verästelungen entstehen malerische Verknotungen und Lacken, die sich zu plastischen Flecken verdichten. Akkorde stellen sich ein, Rhythmisches wird durch Brüche konterkariert – Brüche in Form von Farbklecksen, die passieren. Diese Kleckse sind essenziell, um wieder auf die Malerei per se hinzuführen, auf die getropfte Farbe, die als Index-Klecks in das Gewebe der Leinwand sickert. Malerei ist für Rossmann auch ein Medium für die reine Wahrnehmung. Aus einer planen Oberfläche mit sedimentierter Farbe entsteht ein illusionärer Raum, ohne einen Realraum übersetzen zu müssen. Dieser kann in den Betrachterraum hineinfluten, wie in den Bildern mit vibrierend aggressiver Farbwahl. Dieses schillernd gemalte Gewebe hebt sich regelrecht vom Bildträger ab und brennt sich in unsere Iris ein. Andererseits können die Bilder zurückhaltender ausfallen, mit Tiefenwirkung. Ein zarter immaterieller Schleier trennt Sein und Schein des Bildes. In so manchen Arbeiten spielt Textur eine übergeordnete Rolle. Sie bestehen aus zahlreichen Schichten, die immer wieder abgeschliffen worden sind. Ein wachsig opaker Eindruck entsteht, der optische mit taktilen Reizen spannungsreich verbindet. Allen Werken gemein ist eine human-spirituelle Qualität mit sensitiver malerischer Aussagekraft.

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